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Jörg Kärger

Jörg Kärger

Jörg Kärger studierte in Leipzig Physik und promovierte 1970 bei Harry Pfeifer. Nach Promotion B (1978) erhielt er 1994 den Ruf auf den Lehrstuhl für Grenzflächenphysik an der Universität Leipzig. Für Arbeiten und Aktivitäten auf dem Gebiet des molekularen Stofftransports wurde er mit dem Max-Planck-Forschungspreis, dem Breck-Award und der Wahl in die Sächsische Akademie der Wissenschaften geehrt. Seit 2009 ist er im (Un)Ruhestand. Exoten unter mehr als 500 Publikationen sind Eintragungen im Guinnessbuch der Rekorde mit dem weltgrößten Fahrradklingelorchester und einem Computerspiel, aufgestellt während der Leipziger Physik-Sonntagsvorlesungen.


Für Jörg Kärger zum 80. Geburtstag

Scholaren und Magistern eilt von alters her der Ruf voraus, wenig ortsfest zu sein. Man studiert hier und dort, wechselt auf dem Weg zur Promotion gern die Hohe Schule, strebt danach, andernorts habilitiert zu werden. Schließlich folgte man einem Ruf, der an die nächste Wirkungsstätte führt und beschließt nicht selten die akademische Laufbahn an einer abermals anderen Universität. Gehört solche Umtriebigkeit zwingend zum Geschäft und ist also allein erfolgreich, wer viele Stationen in seiner wissenschaftlichen Vita verzeichnen kann?

So einfach ist die Antwort auf diese Frage freilich nicht, denn das alles trifft auf Jörg Kärger nicht zu; in seinem Fall neigt man zu einem – leicht modifizierten – geflügelten Wort: Und alle Wege führen nach Leipzig. Wiewohl von Geburt Thüringer, hatte er bereits einen Teil der schulischen Ausbildung in der Messestadt absolviert. Dem Abitur folgte das Studium der Physik an der Alma mater lipsiensis, der er fortan treu blieb – wobei die Liste jener Orte, an die ihn im Laufe mehrerer Jahrzehnte Gastaufenthalte führten, überaus respektabel ist: zu nennen sind hier etwa Prag, Leningrad, Moskau, Paris, Fredericton/Kanada …

Seiner Promotion („Die Diffusion von Wasser an 13X-Zeolithen: Untersucht nach der Methode der kernmagnetischen Resonanz mit Hilfe gepulster Feldgradienten“) beim legendären Harry Pfeifer im Jahre 1970, die mit dem Diffusionsbegriff bereits den Grundakkord aller folgenden Forschungen anschlägt, folgte acht Jahre später die Habilitation. Weiter sind zunächst die außerordentliche 1989 und schließlich 1994 die ordentliche Professur für Experimental- und Grenzflächenphysik zu verzeichnen.

Moleküldiffusion in nanoporösen Materialien wurde zu seinem Lebensthema und für den Nichtfachmann sei hier in das Zentrum gerückt, dass Jörg Kärgers Arbeiten dazu führten, bis dahin bestehende Vorstellungen grundlegend zu modifizieren – der durch ihn erzielte Wissensgewinn auf jenem Gebiet wird übereinstimmend mit dem Begriff „Paradigmenwechsels“ in jenen Forschungen umschrieben. Seine Veröffentlichungen zu den Arbeitsergebnissen füllen eine voluminöse Bibliographie, selbst die Fachleute kapitulierten inzwischen vor einer exakten Zählung und erkannten ihm kurzerhand den Titel „weltweit produktivster Forscher auf dem Gebiet der Moleküldiffusion“ zu. Da verwundert es nicht, dass Ehrungen und Auszeichnungen nicht lange auf sich warten ließen: 1978 der Gustav-Hertz-Preis der Physikalischen Gesellschaft der DDR – gemeinsam mit seinem akademischen Lehrer –, 1986 der Breck-Preis der Internationalen Zeolith-Assoziation (in einer Forschergruppe), 1994 zusammen mit Douglas M. Ruthven der Max-Planck-Forschungspreis.

Aus seinen vielfältigen Forschungsarbeiten ragt eine nach mehrjähriger Vorbereitung maßgeblich von ihm und Paul Heitjans inaugurierte ertragreiche Tagungsreihe unter dem Titel „Diffusion Fundamentals“ hervor, die 2005 in Leipzig debütierte. Es folgten in zweijährigem Abstand Konferenzen in L’Aquila, Athen, Troy (USA), Leipzig, Dresden, Moskau, Erlangen, Krakau und zuletzt (2023) Taschkent. Nachdem während dieser Zusammenkünfte zunächst die Diskussionen zu Einzelaspekten der klassischen Diffusionstheorie dominierten, gewann die Tagungsreihe in ihrem weiteren Verlauf zusehends eine neue Qualität – den Übertritt aus allein physikalischen Betrachtungen hin zur Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes zu Ausbreitungsphänomenen auch in Natur, Technik und Gesellschaft. Diese transdisziplinäre Perspektive widerspiegelt sich zunehmend auch in den Konferenzbänden dieser Tagungen und kennzeichnet ebenso Publikationen wie „Diffusive Spreading in Nature, Technology and Society“ (Erstveröffentlichung 2018, mittlerweile erweiterte zweite Auflage), die als Quintessenz jener Forschungen gelten können und inzwischen zu weltweit beachteten Standardwerken zählen.

Die hohe Wertschätzung der Leistung von Jörg Kärger im In- und Ausland manifestierte sich im Oktober 2021 erneut, als er – gemeinsam mit seinem ersten Doktoranden und heutigen Ordinarius an der Leibniz Universität Hannover Jürgen Caro – mit dem ENI-Award 2020 in der Kategorie „Advanced Environmental Solutions“ für die „Arbeiten zum diffusiven Molekülfluss“ geehrt wurde. Diese in der breiten Öffentlichkeit sicher weniger wahrgenommene Auszeichnung ist kaum zu überschätzen – sie kommt in ihrem Gewicht den Nobelpreisen sehr nahe und ihre Dignität wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Preisübergabe im Amtssitz des italienischen Staatspräsidenten erfolgt. Es war 2021 den Corona-Einschränkungen geschuldet, dass Jörg Kärger an der feierlichen Zeremonie im Palazzo del Quirinale nicht teilnehmen konnte – der Festakt konnte lediglich am Bildschirm verfolgt werden.

Man mag sich angesichts solch beeindruckender Vita zu der Annahme verleiten lassen, dass ein so
wertgeschätzter Wissenschaftler, der zudem ein Forschungsterrain beackert, dass den hier Nichtkundigen mit Faszination und Respekt erfüllt – möglicherweise ebenso auch manchen Schauer auslöst – wohl ein weltabgewandter, allein in seinem Studierzimmer anzutreffender Forscher ist, der dem berühmten „Hieronymus im Gehäus“ gleicht. Doch auch hier ist das Gegenteil der Fall: Jörg Kärger ist nicht nur ein exzellenter Wissenschaftler und Hochschullehrer, sondern ebenso ein wacher, vielseitig interessierter wie engagierter Zeitgenosse.

Ganz im Sinne der Forderung, die Ergebnisse akademischer Arbeit in Lehrveranstaltungen auf hohem Niveau zu präsentieren, hat er neben den üblichen Semesterprogrammen Formate wie die populären Physik-Sonntagsvorlesungen gestaltet. Beispielsweise ist das weltgrößte Fahrradklingelorchester im Guinnessbuch der Rekorde mit seinem Engagament an solch einem Tag verknüpft. Legendären Ruf genießen ebenso die Weihnachtsvorlesungen, die in festtagsgemäßer Dekoration mit überraschenden Experimenten überaus effektvoll physikalische Gesetzmäßigkeiten und Phänomene zu demonstrieren verstehen.

Auch auf anderen Ebenen ist von seinem Sachverstand zu berichten. Auf musikalischem Gebiet profitiert jeder Gesprächspartner, und nicht zuletzt der Leipziger Universitätschor zählt ihn zur ersten Reihe jener, die verdienstvoll für ihn tätig waren und sind. Gleichermaßen hatten und haben sportliche Neigungen ihren festen Platz in seinem alltäglichen Leben, Wettkämpfen etwa im Orientierungslauf gehörte insbesondere sein Herz. In der Literatur besticht sein Überblick, und auch auf dem Gebiet des Zeitgeschehens ist Jörg Kärger ein ebenso sensibler wie kluger Beobachter. Unbedingt muß hinzugefügt werden, dass er ein ausgesprochener Familienmensch ist, der nicht versäumt, auch ganz privaten Belangen jederzeit Beachtung entgegenzubringen.

Insoweit wird hier auch etwas von jenen Inspirationen sichtbar, die Jörg Kärger leiteten, als er mit „Leipzig – Einstein – Diffusion“ vor fast zwei Jahrzehnten ein so bis dahin nicht gekanntes Buchformat kreierte, das den vielgestaltigen Beziehungen Wissenschaft – Geschichte – Stadt auf populäre Weise nachgeht und – dies alles in zwei Sprachen – auch manche sich nicht auf den ersten Blick erschließende Forschungsergebnisse nahezu spielerisch präsentiert. Die davon ausgehende Faszination betonten zur ersten Auflage die Grußworte des vormaligen Oberbürgermeisters Leipzigs Wolfgang Tiefensee und des Leipziger Rektors Franz Häuser. Ähnlich urteilten in weiteren Ausgaben der Chairman des Fonds der Chemischen Industrie Alfred Oberholz, Leipzigs heutiger Oberbürgermeister Burkhard Jung, Magnifizenz Beate Schücking und der Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Pirmin Stekeler-Weithofer. Ebenso lobte der Senior Pastor Robert G. Moore aus Leipzigs Partnerstadt Houston die gelungene Kombination von zweisprachiger anschaulicher Darstellung und Wissensvermittlung, wodurch das Buch auch die Rolle eines Brückenbauers vorbildlich ausfülle. Übereinstimmend wurden von allen der dem Konzept des Buches innewohnende Gewinn und seine innovative Umsetzung unterstrichen, galten dem Herausgeber Glückwünsche zu dieser Urheberschaft und war man sich einig, dass dem Band eine große Verbreitung zu wünschen ist.

Jörg Kärger, so kann man resümieren, zählt heute zu jenen namhaften Wissenschaftlern, die den Ruf Leipzigs und hier vor allem seiner Universität weltweit befestigen. Mit seinen vielen kreativen Ideen und mannigfachen Initiativen ist er zudem eine Persönlichkeit, die unsere Stadtgesellschaft mitprägt. Und er tritt dabei nahezu zurückhaltend-bescheiden auf, freundlich im Umgang und jederzeit bereit, einem Anliegen zuzuhören und seine Gedanken beizusteuern. Leipzig und namentlich die Alma mater lipsiensis können stolz auf ihn sein ...

Gerald Diesener (Im Herbst 2023)

Adresse: http://diffusion.uni-leipzig.de/kaerger/kaerger.php

Veröffentlichungen von Jörg Kärger

Diffusion Fundamentals III
Christian Chmelik, Nick Kanellopoulos, Jörg Kärger, Doros Theodorou (Hg.) Diffusion Fundamentals III Athens 2009 486 Seiten, Broschur, 29,00 € ISBN 978-3-86583-387-7
kein Coverbild vorhanden
Stefano Brandani, Christian Chmelik, Jörg Kärger, Roberto Volpe (Hg.) Diffusion Fundamentals II L'Aquila 2007 404 Seiten, Broschur, 29,00 € ISBN 978-3-86583-209-2
Leipzig, Einstein, Diffusion
Jörg Kärger Leipzig, Einstein, Diffusion 206 Seiten, erweiterte Auflage 2023, Broschur, 19,00 € ISBN 978-3-86583-176-7
kein Coverbild vorhanden
Jörg Kärger, Farida Grinberg, Paul Heitjans (Hg.) Diffusion Fundamentals Leipzig 2005 615 Seiten, Broschur, 36,00 € ISBN 978-3-86583-073-9
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