Alles begann mit einem Gebäckstück. Es hatte eine charakteristische Form, einen gelehrten deutschen Namen, eine unaussprechliche englische Bezeichnung und es war von französischer Abstammung: Die Rede ist vom „Leibniz Cakes“ – die Zeitgenossen sagten zunächst [kakes] – mit seinen 52 Zähnen, links des Rheins bekannt als „petit beurre“, weil nur ,gute Butter‘ verwendet wurde.
Wie schaffte es der Butterkeks aus Hannover in die Liga der erfolgreichen Markenprodukte und warum wurde er zu einem Dauerläufer durch die Jahrzehnte? Warum gelang der Keksfabrik, die Hermann Bahlsen 1889 gegründet hatte, mit ihrem Sortiment an süßen und salzigen Keksen, Biskuits und Waffeln und ihren frühen Convenience-Produkten im Wirtschaftswunder des Kaiserreichs und den neuen Gewohnheiten der jungen Industrie- und Freizeitgesellschaft eine Punktlandung?
Und was hatten neue Verpackungen und die Idee der „totalen Reklame“ mit dem Erfolg zu tun? Wie kam es, dass der Markenhersteller besonders hohe Maßstäbe an die künstlerische Gestaltung seiner Packungen, Keksdosen und Plakate anlegte, auf dem Feld der stilvollen Prestigewerbung alle Register zog und sogar die Architektur seiner Industriebauten und Musterläden in den Dienst der Werbung stellte? Und warum pflegte das Keksimperium seit Gründerzeiten eine spezifisch bürgerliche, nationale Unternehmenskultur, die sich den Ideen der Reformbewegung und der modernen Kunst verpflichtet fühlte: den „TET-Geist“?
Wann hatte sich das denkwürdige Amalgam aus wirtschaftlichen Interessen, Kunst, Kultur, Design und Architektur vollständig entwickelt? Und welchen Veränderungen war es unterworfen? Was wurde in den Zwanziger Jahren aus dem stilvollen Konsum, der Verlockung des Nationalen und der Liebe zum Expressionismus? Mit welchen Strategien manövrierte sich Bahlsen durch die Jahre der braunen Diktatur und durch den Zweiten Weltkrieg? Wie sah das Design jener Zeit aus? Welche Wege schlug das Unternehmen ein, um die ideologisch imprägnierte „Betriebsgemeinschaft“ zu stärken und wer gehörte an den Standorten Hannover und zuletzt auch Kyjiw und Gera überhaupt dazu?
Was beförderte die Anschlussfähigkeit Bahlsens nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen im Sommer 1945 an die neue Zeit und wie (schnell) brachte es der Kekshersteller fertig, die Wirtschaftswunderjahre der Bundesrepublik im Segment der süßen und salzigen Dauerbackwaren nachhaltig zu prägen, mit alten und neuen Produkten, einem neuen eleganten Corporate Design, der Kommerzialisierung von „1968“ in der Werbung, einer neuen Kunstsammlung und einer aufsehenerregenden Architektur im Stil des Brutalismus. Was wurde aus der alten Tradition der Truppenverpflegung seit 1914? Wohin verschwanden der bürgerliche Nationalismus und die alte Kolonialbegeisterung? Wie kam es zu einer Wiederbelebung der Unternehmenskultur in neuem Gewand? Und wer waren die Protagonisten des Neuanfangs?
Am Ende stellt sich die Frage nach einer geschichtspolitischen Wende im Kalten Krieg. Warum wurde die Unternehmensgeschichte der frühen 1960er Jahre, die auf das journalistische Prinzip der Vergegenwärtigung setzte, nur wenig später in eine „Meistererzählung“ umgeformt, die der „jüngsten“ Vergangenheit auswich?
„Der Stil des Hauses“ präsentiert erstmals die „Bahlsen Story“ als umfassende Kulturgeschichte – von der Gründung 1889 bis in die 1970er Jahre.
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Alles begann mit einem Gebäckstück. Es hatte eine charakteristische Form, einen gelehrten deutschen Namen, eine unaussprechliche englische Bezeichnung und es war von französischer Abstammung: Die
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