August Timotheus Kahlert ist heute faktisch in Vergessenheit geraten, was umso bedauerlicher ist, als er zur Biedermeierzeit zu den bekannten und bedeutenden Persönlichkeiten des schlesischen Literaturlebens zählte. Er war ein vielseitig ambitionierter Intellektueller – Schriftsteller, Philosoph, Musikwissenschaftler, Dichter, seit 1836 zudem auch Privatdozent für Literaturgeschichte und Ästhetik.
August Kahlert als Briefschreiber war vor allem auf die Sache konzentriert. Seine Briefe enthalten immer einen pragmatischen Kern. Im Zuge der Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen innerhalb von beinahe vierzig Jahren gewinnen sie auch feste rhetorische Konturen, indem sie zwei stehende Elemente beinhalten: Nachrichten zum Theaterleben der schlesischen Metropole sowie die zu den literarischen Novitäten und Entwicklungen, insbesondere in Schlesien. Die Meinungen Kahlerts werden unverblümt dargeboten, weil es sich in seinem Fall um eine private Perspektive handelt, die mit einer Veröffentlichung in absehbarer Zeit nicht rechnet. So darf man die Briefe Kahlerts als authentisch bezeichnen, während die Korrespondenz von Holtei eindeutig für die Veröffentlichung präpariert ist. In welchem Grade, lässt sich allerdings schwer bestimmen. Holtei stilisiert sich im poetologischen Zusammenhang seiner Autobiographie vierzig Jahre zu einem literarischen und theatralischen Vagabunden, zu einem schlesischen Menschen, der eine Spannung zwischen dem Fremden und dem Eigenen empfindet und diese auch ästhetisch gestaltet. In dieser Rolle wird Kahlert zum externen Zuträger von Nachrichten oder aber zu einer Figur im ästethisch geprägten schlesischen Kosmos von Holtei ausgestaltet, die gewichtigen Botschaften werden von Holtei an die Schlesier in seinen Romanen formuliert, auf die Kahlert wohl einen gewissen, dabei aber keinesfalls entscheidenden Einfluss nimmt. Sind also die Briefe Holteis literarisierte Kunstwerke von autobiographischem Charakter, so werden die Antworten Kahlerts bis auf drei delikat zensierte Schreiben deshalb nicht veröffentlicht, weil sie keiner Stilisierung bedürfen, sondern als authentische Zeugnisse eines umsichtigen Intellektuellen gelten können, und zwar mit all ihren Indiskretionen und subjektiven Urteilen.
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August Timotheus Kahlert ist heute faktisch in Vergessenheit geraten, was umso bedauerlicher ist, als er zur Biedermeierzeit zu den bekannten und bedeutenden Persönlichkeiten des schlesischen
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