Angilbert, der Schwiegersohn Karls des Großen und prominente Führungskraft des karolingischen Imperiums, stattete das ihm zur Neuordnung übertragene Reichskloster Centula - heute Saint-Riquier, gelegen im Nordwesten Frankreichs - mit Kirchengebäuden aus, die zu herausragenden Schöpfungen frühmittelalterlicher Architektur zählten. Der in die längst verlorengegangenen Gotteshäuser integrierte Reliquienschatz und dessen liturgische Verehrung werden in diesem Buch interpretiert als eine sublime Form der Sakralisierung karlischer Herrschaft.
Die damaligen theologischen Überzeugungen, aber auch die Aktivierung archaischer Glaubensvorstellungen ermöglichten dem Abt, dem auch der militärische Schutz der gefährdeten Grenzprovinz oblag, sein Kloster als irdisches Abbild der von Heiligen bewohnten und geschützten apokalyptischen Himmelsstadt zu konzipieren. Die Nachzeichnung und Deutung dieses Vorgangs versteht sich als ein besonderer Beitrag zum Karlsjubiläum 2014.
Hinzu tritt, dass hierzu ein grundlegender Quellentext der frühmittelalterlichen Geistes-, Religions- und Architekturgeschichte, der bislang nur selten und dann an versteckten Stellen Berücksichtigung fand, erstmals in seiner Gesamtheit gewürdigt wird. Reliquien des Mittelalters gelten gemeinhin als Gegenstände einer stark von magisch-abergläubischen Denkweisen geprägten Volksreligiosität. Die vom Autor, einem ausgewiesenen Architekturhistoriker, vorgenommene Durchsicht der Centulaer Quellen erlaubt eine erweiterte, auch modernem Verständnis zugängliche Deutung dieser Reliquien: Sie waren neben ihrer religiösen Funktion zugleich auch Gegenstände der zeitgenössischen Gedächtniskultur.
Der dauernde und geordnete Umgang der Klosterbewohner mit legendären und historischen Gestalten der Kirchengeschichte, der in den heute üblichen Praktiken der Führung durch Museen und Gedenkstätten ein strukturelles Pendant findet, aktivierte das Geschichtsbewusstsein und stärkte die mentalen Kräfte der Klosterbewohner.
Der Autor schlägt mit dieser Deutung ein semiotisches, zeichentheoretisches Verständnis von Glaubens-, Erinnerungs- und Gedächtnissymbolen vor, das zu allen Zeiten in die Lebenspraxis der Menschen eingeht und damit auch, wie die hier vorgelegte luzide Studie erweist, in die Gestaltung von Architektur.
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Angilbert, der Schwiegersohn Karls des Großen und prominente Führungskraft des karolingischen Imperiums, stattete das ihm zur Neuordnung übertragene Reichskloster Centula - heute Saint-Riquier,
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