Nach der Montags-Demonstration am 9. Oktober 1989, deren blutige Auflösung in letzter Minute verhindert wurde, organisierten engagierte Leipzigerinnen und Leipziger – Künstler und Funktionäre – an mehreren zentralen Orten in der Stadt freie öffentliche Diskussionen. Diese Debatten glichen einer Akuttherapie in der Stunde der Not. Auch die SED-Führung schwenkte schließlich ein, indem sie sich demonstrativ zur „Politik des Dialogs“ bekannte.
An den in diesem Buch dokumentierten elf Veranstaltungen in der Moritzbastei, im academixer-Keller und im Gewandhaus nahmen an die 9.000 Menschen teil. In den Debatten gab es 1.278 Diskussionsbeiträge, 435 Rednerinnen und Redner meldeten sich zu Wort. Erstmals konnten die Bürger öffentlich und unzensiert ihre Sicht auf die Probleme darstellen und diskutieren, was als Nächstes geschehen müsse. Zugleich wurden namhafte Vertreter der Staatsmacht und der SED – bisweilen wie in einem Untersuchungsausschuss – zur Rede gestellt. Diese öffentlichen Zusammenkünfte waren voller Kontroversen und Emotionen; zugleich bildeten sie aber auch ein Labor der Ideen.
Das vorliegende Buch gleicht einer Sonde, die in das Leipziger Stimmengewirr der Friedlichen Revolution im Herbst 1989 hinabgelassen wurde. Für Historiker wie für das zeitgeschichtlich interessierte Publikum stellt diese Dokumentation eine kaum zu überschätzende Quelle dar. Zum einen, weil hier die Selbstdokumentation einer Revolution vorliegt, die über Flugblätter und Parolen, Aufrufe und Programme voranschreitet zu ausführlichen Debatten. Zum anderen faszinieren die Protokolle, weil ihre Substanz nicht Perspektiven der revolutionären Anführer oder der Machthaber reflektieren, sondern die Vorstellungen von Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft in dieser einzigartigen Situation festhalten.
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Nach der Montags-Demonstration am 9. Oktober 1989, deren blutige Auflösung in letzter Minute verhindert wurde, organisierten engagierte Leipzigerinnen und Leipziger – Künstler und Funktionäre –
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